Artikel LVZ 17.11.2022
ARTIKEL LVZ NEWS 17.03.2022
KEINE ARBEITSERLAUBNIS FÜR KOCH AUS EITREA BEHÖRDE GEFÄRDET EXISTENZ VON LEIPZIGER RESTAURANT
Heike Reinhardt kommt aus dem Kopfschütteln kaum noch heraus. „Wir fühlen uns total veralbert“, sagt die Leipziger Gastronomin und spricht für ihren Mann Matthias gleich mit. Nicht zuletzt für ihren Schützling: Vor einem halben Jahr erkämpften sie nach mehrfachem Briefwechsel und Ortsterminen mit dem zuständigen Amt eine Arbeitserlaubnis für ihren aus Eritrea stammenden Koch Dawit Gebru Wegu; nun verweigert die Behörde die Verlängerung, weil Personaldokumente fehlen – obwohl der junge Mann aus Eritrea und er seine Arbeitgeber nach eigener Aussage alles versucht haben, um Nachweise zu beschaffen.
Wegu, geboren 1999 in Assab, floh als Dreijähriger mit seiner Mutter wegen des Grenzkriegs zwischen seiner Heimat Eritrea und Äthiopien in den Sudan. 2016, im Alter von 17, machte er sich allein auf den gefährlichen Weg über Libyen – wo ihm von Schleppern die Papiere abgenommen wurden – und das Meer Richtung Europa. Er landete in Deutschland, inzwischen lebt er am Stadtrand von Colditz. Nach absolvierten Sprachkursen und Berufsvorbereitungsjahr trat er bei den Reinhardts im Gasthaus Alte Nikolaischule seine Ausbildung zum Koch an.
„Zuverlässig und fleißig“ sowohl menschlich als auch fachlich war und ist das Ehepaar von dem jungen Mann begeistert. „Ein fantastischer Mitarbeiter, zuverlässig und fleißig“, lobt Heike Reinhardt. Nach erfolgreicher Prüfung stand eine unerwartete Hürde im Berufsweg: Das Ausländeramt in Grimma verweigerte die Arbeitserlaubnis, weil der 22-Jährige mangels Personaldokument seine Identität nicht nachweisen kann. Die eritreische Botschaft versagte laut Wegu die Unterstützung, und in der Heimat konnten ihm Verwandte keinen Nachweis beschaffen. Wegen der Verweigerungshaltung der Behörde schrieben die Reinhardts, die wie alle in der Gastronomie dringend Personal benötigen, unter anderem an Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU).
Zunächst verzeichneten die Gastwirte einen Etappenerfolg: Bis Februar dieses Jahres erteilte die Ausländerbehörde in Grimma vergangenen Sommer eine Arbeitserlaubnis – mit der Auflage, Wegu müsse bis dahin Nachweise seiner Identität erbringen. Das Problem mit der Botschaft: Als oppositionell eingestufte Personen bekommen keine konsularische Betreuung. Davon abgesehen fordert die Einrichtung eine so genannte Reueerklärung gegenüber dem Staat Eritrea und eine Zahlung von 2 Prozent des Nettoeinkommens. „Beides stützt das System in Eritrea, das Menschen unterdrückt, und das lehne ich ab“, sagt Wegu. Gutachten stärkt Dawit Wegu
Ihn stärkt ein Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover: Unter bestimmten Kriterien sei die Abgabe einer Reueerklärung gegenüber dem Staat Eritrea unzumutbar. Nicht zuletzt, „wenn sie nicht dem „inneren Willen“ des*der Betroffenen entspricht – es also kein Ausreisewille abgebildet wird“, so die Entscheidung aus dem Jahr 2020. Auch ein Gutachten zweier Menschenrechts-Organisationen bekräftigt das und kritisiert die „in Deutschland besonders hohe Anforderungen an vorzulegende Dokumente“.
Dieses Gutachten schickte Wegus Leipziger Anwalt Michael Krebs an die Behörde in Grimma. „Bislang gab es jedoch keine Reaktion“, so Krebs. Zuvor waren die Impfpapiere Wegus, die sein Großvater von dem früheren Kinderarzt des Jungen bekam und nach Deutschland schickte, als nicht relevant abgelehnt worden, auch weil ein Lichtbild fehlte. Hinzu kam der Hinweis, dass die Arbeitserlaubnis abgelaufen sei und am 24. März auch die Aufenthaltsgenehmigung erlischt.
Wirtin schickt Protestschreiben Sollten „aussagekräftige Nachweise“ nicht bis spätestens 18. März vorliegen, „wird nach Aktenlage entschieden“, so das Amt. Heike Reinhardt spricht von Willkür. „Auch deutsche Impfausweise besitzen kein Lichtbild und gelten trotzdem als Dokumente.“ Sie zitiert den Koalitionsvertrag, laut dem „Geduldeten in der Ausbildung und in Betrieben mehr Rechtssicherheit durch eine Aufenthaltserlaubnis“ verliehen werden soll.
Und nun? „Ich möchte unbedingt wieder arbeiten“, bekräftigt Dawit Wegu. „Es ist doch viel besser für alle, wenn ich einen Job habe und Steuern zahle, als den Staat als Arbeitsloser zu belasten.“ Und, natürlich, möchte er in Deutschland bleiben dürfen, denn die Rückkehr in seine Heimat ist wegen der politischen Lage und seiner kritischen Haltung undenkbar. Sein Leipziger Anwalt hakt in dieser Woche erneut in Grimma nach. Folgt
keine Lösung, wäre eine Verpflichtungsklage im Eilverfahren denkbar, so sagt er. Um eine Aufenthaltserlaubnis zu bekommen, könnte außerdem die Härtefallkommission eingeschaltet werden. Existenz des Gasthauses wird gefährdet Die behördliche Blockade hat noch eine andere, wirtschaftliche Komponente: „Wenn Dawit nicht bald wieder für uns arbeitet, gefährdet das unsere Existenz“, stellt Heike Reinhardt klar. „Ich frage mich, ob den Ämtern klar ist, dass ihre starren Haltungen angesichts des Arbeitskräftemangels der Wirtschaft enorm schaden.“ Von Mark Daniel